Mehr als ein „Bärliner“
(…) Diese Vielzahl von Szenen angesichts der grundlegenden Sanierung und Renovierung des großen Hauses in der zwar inzwischen etablierten Ausweichspielstätte „Martini-Park“, also ohne wirkliche Seiten- und Hinterbühnen? Tollkühn – und frappierend gelungen!
Regisseur Roman Hovenbitzer und sein Bühnen-Video-Duo Natalia Orendain del Castillo und Paul Zoller haben über die Stilebene „phantastischer Realismus“ hinaus – in der also Realität, Erinnerung und Traum ineinander verfließen können – aufgegriffen, dass Kennedy der erste „Fernseh-Präsident“ war: Er führte nicht nur das erste TV-Duell der Präsidentschaftskandidaten souverän gegen „Tricky Dick“ Nixon, sondern brillierte auch in den erstmals öffentlich übertragenden Pressekonferenzen mit Witz und Ironie. Und als letzte Steigerung gab es die filmreifen Auftritte mit der zur Stil-Ikone geformten Jackie.
Folglich beginnt die Augsburger Inszenierung an einem Regietisch direkt hinter dem Orchester. Dort sitzt ein auch mehrfach auf der Bühne mitspielendes Duo, gibt ein lautloses „Action!“-Zeichen, lässt originale Film-Dokus auf den dann vielfach verschieb- und drehbaren Wandteilen per Projektor loslaufen – und unter der Decke leuchtet rot „REC“ auf: Wir erleben die Aufzeichnung einer neuen Spiel-Doku um „JFK“ mit. So sind die Verschränkung von Szenen, ihr frappierend fließender Übergang und per Lichtwechsel auch der Wechsel von Vision sowie Wirklichkeit möglich. Immer wieder liegt der Rückenschmerzen-geplagte, Stützkorsett-tragende Kennedy wie Revolutionär Jean Paul Marat in der Badewanne, sitzt auf der Rückbank des späteren Attentatswagens, lässt sich die Morphium-Spritze setzen, tritt kurz an ein Rednerpult oder umarmt zwischen zwei Schiebewänden ein Marilyn-Monroe-Double. Da kann Chruschtschow mit Bär und Wodka-Orgie als Alp hereinplatzen. Dazu kontrastiert der „Cheer-Girl“-Auftritt der später hirnoperierten Schwester Rosie. Da entlarvt sich Vizepräsident Lyndon B. Johnson als hemdsärmeliger Texaner, umgeben von brüllenden „Red Necks“ mit einem Hauch von Hill-Billy und einer Freiheitsstatue, die sich als Strip-Girl entpuppt; Übervater Joseph Kennedy tritt als Riese auf Stelzen auf…
Diesen Revue-nahen Szenenfluss, zu dem Kinder- und Erwachsenen-Chor als oft gesichtslose US-Bürger auch aus dem Parkett auftreten, unterbricht mehrfach der Regietisch mit „CUT“. Die Filmbild-„Spinnerin“ betritt als Betreuerin Clara die Szene und der messende „Allotter“ steht als Secret-Service-Mann Rathbone dezent im jeweiligen Hintergrund – ein Hauch von Schicksalsboten umgibt sie, zu denen dann der „Cutter“ im grellen Kostüm eines Mardi-Gras-Todes tritt und am Ende triumphierend den Finger hebt.
Einhelliger Beifall für ein nachspielenswertes Werk. (…)
(Die deutsche Bühne)
JFK - am Staatstheater Augsburg hat Regisseur Roman Hovenbitzer das opulente, ja ausladende Werk optisch überzeugend im Griff. (…) Nach der gestrigen Premiere in Augsburg lässt sich sagen: Ja, die Oper hat musikalische und dramaturgische Schwächen, aber wenn sie so groß angelegt und mutig inszeniert wird, ist sie unterhaltsam, hörens- und teilweise sogar staunenswert. (…) Marilyn Monroe hat in der beeindruckenden Augsburger Inszenierung von Roman Hovenbitzer einen stummen Kurzauftritt, Vizepräsident Lyndon B. Johnson lässt es beim Rodeo ordentlich krachen und lässt eine Freiheitsstatue auftreten, die sich als Stripperin erweist, der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow sorgt mit einer zackigen Kompanie Roter Armee und einem Braunbären für Aufsehen.
Viel Show, aber auch eher melancholische Augenblicke, etwa, wenn der erschöpfte und rückenkranke John F. Kennedy in der Badewanne liegt wie der berühmte französische Revolutionär Jean Paul Marat: Auf beiden Männern ruhten Hoffnungen, die sich allesamt nicht erfüllten, vermutlich auch nicht begründet waren, weil es sich eher um Sehnsüchte, um Projektionen handelte, die mit der Realität nichts zu tun hatten. Ähnlich der Auftritt des Präsidenten eingerahmt von seinen Anhängern am Rednerpult: Hovenbitzer inszeniert das wie Leonardo da Vincis "Letztes Abendmahl", was keineswegs weit hergeholt ist, schließlich richteten sich auf JFK geradezu religiöse Heilserwartungen. Obwohl in der Oper das Attentat gar nicht vorkommt, lässt der Regisseur die Szene gleich zu Beginn abrollen: Die Kennedys im offenen Wagen, der Schuss fällt, Jackie klettert in Panik auf den Kofferraum. Filmeinspielungen illustrieren Lebensstationen von JFK, Schicksalsengel treten als Film-Team auf und inszenieren die letzten fünf Minuten im Leben des Präsidenten, die Uhr läuft rückwärts. Das alles fasziniert in der optischen Üppigkeit.
(BR-Klassik)
Der einhellige Schlussjubel für die beiden Autoren und das gesamte Bühnenteam signalisierte: Bravo! Hier wird, gerade in unseren Tagen voller Polit-Rabauken und -Clowns, eine zeitnahe Figur verewigt, die Willy Brandt treffend charakterisierte und die heute fehlt: ein „vorwärtsgewandter Mann“! (…) – Unbedingt nachspielen.
(nmz)
Zu berichten ist von einem interessanten, vielschichtigen, man ist versucht zu sagen: fulminanten Premierenabend mit begeisterter Aufnahme beim Publikum in Augsburg. (…) Auch in Augsburg ist der Erfolg der Inszenierung, für die Roman Hovenbitzer verantwortlich zeichnet, unbestritten. Ihm und seinem Team (Natalia Orendain del Castillo & Paul Zoller verantwortlich für Bühne & Video, Bernhard Niechotz– Kostüme, Marco Vitale – Licht und Sophie Walz – Dramaturgie) ist ein Abend gelungen, der durch die Üppigkeit der Einfälle, die Opulenz der theatralischen Mittel und die nahezu bewundernswerte Balance zwischen Realität und Traum überwältigend, stellenweise überrumpelnd für sich sprechen. Ein Abend, der viele Fragen stellt, gewiss, aber eben auch ein Abend, der in Bann zieht, nie langweilig ist und gewissermaßen eine Variante des amerikanischen Traumes auf die Bühne bringt, der man sich nicht verschließen kann. (…)
Diese grandiose Umsetzung des Werkes nimmt gefangen, lässt viele Fragen, die natürlich offen bleiben, vergessen. Man war Zeuge eines großen theatralischen Augenblickes, der den „Machern“ zu danken ist. (…) Hovenbitzer hat die Geschichte bereichert, hat auch das Fernsehen, das ja von Kennedy als erstem Präsidenten optimal genutzt wurde und seinen „Mythos“ wesentlich begründete, einbezogen und so eine Show geschaffen, die allein schon dadurch fasziniert, weil sie hervorragend funktioniert. Wie viele Werke sind erst durch Interpretationen zu Leben erweckt worden? Ist es nicht gut, wenn man in Zeiten der allgemeinen Regie-Schelte auch mal einen Abend erleben kann, der seine Qualität der Regie verdankt?
(Der neue Merker/Der Opernfreund)
Die dunkle Seite der Glitzerwelt und die Unabwendbarkeit des Schicksals - JFK als Oper am Staatstheater Augsburg Die Momente sind nicht linear, Phantasien und Rückblenden bringen die Zeitschiene immer wieder aus dem Lot und den Zuschauern wird einiges an Vorstellungskraft abverlangt. Dennoch ist die opulent ausgestattete Oper dank der szenischen Umsetzung in ihrem Inhalt gut zu erfassen und die Vorstellungskraft wird unterstützt von einem ausladenden Bühnenbild, einer das durch überzeugend eingesetzte Videosequenzen (Paul Zoller) Zeitkolorit erhält. (…) Das Publikum honorierte die Experimentierfreudigkeit des Staatstheaters mit großem Applaus, den sich auch der Komponist und der Librettist zum Schluss noch abholen konnten. Letzter Moment der Oper: „Das Schicksal ist besiegelt.“ Ein Erlebnis der besonderen Art.
(Die Augsburger Zeitung)
Roman Hovenbitzer inszeniert die europäische Erstaufführung mit starken Bildern
JFK ist ein Stück Amerika und ein gutes Stück Amerika dürfen die Zuschauer in der gekonnten Regie von Roman Hovenbitzer erleben, jede Menge lustvoller Klischees inklusive. Da treten gleich zu Beginn die bestens vorbereiteten Augsburger Domsingknaben in Khaki-Hosen wie Pfandfinder auf und halten die rot weiss blauen Schilder mit den typischen Wahlslogans in die Luft. Der Texaner und Vizepräsident Lyndon B Johnson trägt Cowboy Stiefel und Hut, Cheerleader schwingen die Beine und mehr. Die blonde Marylin Monroe kommt auch vorbei und verführt den feschen Präsidenten. Jackie schlüpft und entschlüpft laufend dem rosa Chanel Kostüm mit Hut. Nikita Chruschtschow marschiert in rot mit uniformierter Entourage und jeder Menge Wodka ein.
Viele Videoprojektionen begleiten die Fragmente der Lebensgeschichte dieses Traumpaares. Geschickt integriert sich der Bühnennachbau der Präsidentenlimousine mit den Filmaufnahmen und verschiedene Szenen werden so lebensecht. (…) Eine gelungene Einführung dieses Werkes in Europa und beim begeisterten Schlussapplaus fühlt sich der Komponist und Librettist sichtlich beeindruckt und zufrieden.
(opera-online/o-ton-Kulturmagazin)