Eine Nacht des Schreckens
Verdis „Maskenball“ am Stadttheater Bremerhaven führt in ein geheimnisvolles Land der Phantasie und überzeugt mit einem ungewöhnlichen Regiekonzept
(...) Roman Hovenbitzer hat die Handlung in seiner Neuinszenierung nicht unbedingt in Schweden verortet, sondern führt eher in ein geheimnisvolles Land der Phantasie. Aber es ist ein Land mit doppeltem Boden. Denn die Figur des Pagen Oscar mutiert hier zu einer Art Spielmacher, der sich das Geschehen als makabres Spiel ausgedacht hat. Oscar ist ständig auf der Bühne. Zusammen mit König Gustavo, der wegen seiner Leidenschaft für Literatur und Theater auch als „Theaterkönig“ in die Geschichte eingegangen ist, entwirft er eine Welt aus Sein und Schein. Auf einen Gazevorhang projizierte Videos künden von Albträumen und utopischen Illusionen.
Die Grenze zwischen Realität und Fiktion ist dabei fließend. Ausstatter Roy Spahn hat für den zweiten Akt eine düstere Szenerie entworfen. Nebelschwaden und graue Todesengel erscheinen im fahlen Licht und erzeugen eine Stimmung wie im Horrorfilm. „Nacht des Schreckens“ steht im Programmheft. Einen Kontrast gibt es hierzu im dritten Akt. Die Bühne wird hochgefahren und gibt den Blick auf ein spießiges Wohnzimmer frei. Das ist die bürgerliche, wohlgeordnete Welt von Renato Anckarström, dem Vertrauten und späteren Mörder des Königs. Sie ist konträr zur Phantasiewelt Gustavos und erklärt zum Teil, warum sich Renatos Gattin Amelia zu Gustavo hingezogen fühlt.
Bilder von großer Symbolkraft
Gustavo und Amelia haben jeweils einen Engelsflügel, sodass sie sich erst in der Umarmung ergänzen. Ein Bild von großer Symbolkraft. Die Szenenwechsel werden von Hovenbitzer geschickt und nahtlos gelöst, etwa der Übergang zur Ulrica-Szene. Die Wahrsagerin Ulrica ist schon im ersten Bild zu sehen, wo sie von Oscar gedemütigt wird. Dann sitzt sie plötzlich mit Hofdamen an einer langen Tafel und zelebriert ihre skurrile Geisterbeschwörung. Hovenbitzers Personenführung ist äußerst spannend und ausgefeilt. Das Ende bleibt gekonnt offen. Denn Gustavo steht nach den tödlichen Schüssen wieder auf und bricht erst im Bühnenhintergrund zusammen. War alles doch nur ein makabres Spiel von Oscar und Gustavo? (...)
(Nordseezeitung)
Oscars Totentanz
Der schwedische König Gustav III. ist die Hauptfigur in Giuseppe Verdis Oper „Un ballo in maschera“. Er wird am Ende ermordet. (...) Inzwischen wird fast überall die Originalversion gespielt, so auch in der Bremerhavener Neuinszenierung von Roman Hovenbitzer.
Der siedelt die Handlung allerdings auch nicht unbedingt in Schweden an, sondern eher in einem geheimnisvollen Land der Phantasie. Aber es ist ein Land mit doppeltem Boden… „König Gustav ist ein Mensch, der für den Posten nicht unbedingt geschaffen ist“, meint der Regisseur. Denn Gustavs Interessen liegen eher bei Kunst und Theater. Als „Theaterkönig“ ging er denn auch in die Geschichte ein.
Diesen Aspekt stellt Hovenbitzer in den Mittelpunkt seiner Inszenierung. Der Page Oscar wird zu einer Art Spielleiter, ähnlich dem Conferencier in „Cabaret“. Er zieht den Vorhang auf und zu und präsentiert mit eleganten Gesten die Handlung. Im Glitzeranzug und mit Zylinder ist er pausenlos auf der Bühne - ein diabolischer Hexenmeister, der mit allen sein Spiel treibt. Und auch Gustav ist dabei mit von der Partie und beteiligt sich an diesem Vexierspiel von Schein und Sein. Das nimmt mitunter auch bösartige Züge an, etwa wenn die Wahrsagerin Ulrica hier schon im 1. Bild vorgeführt und gedemütigt wird. Oscar und der König: Man könnte sie fast mit Rigoletto und dem Herzog vergleichen.
Hovenbitzer und sein Ausstatter Roy Spahn arbeiten viel mit Videos, die auf einen Gazevorhang projiziert werden. Das erzeugt mitunter die Wirkung eines Film noir, ist aber auch oft zuviel des Guten. Als düstere Gruselszene präsentiert Hovenbitzer den 2. Akt. Nebelschwaden, graue Todesengel mit Totenschädeln und ein Grabstein erzeugen die Stimmung eines Horrorfilms. „Nacht des Schreckens“ steht passend als Überschrift zur Inhaltsangabe im Programmheft.
Gustav und Amelia haben jeweils einen Engelsflügel, sodass sie sich erst in der Umarmung ergänzen. Aber auch das Brautkleid und der Brautkranz täuschen nicht darüber hinweg, dass die Geschichte ein böses Ende nimmt. Einen völligen Kontrast gibt es dann im
3. Akt. Die Bühne wird hochgefahren und gibt den Blick auf ein spießiges Wohnzimmer mit Couch, Fernseher und Schrankwand frei. Das ist die bürgerliche, wohlgeordnete Welt von Renato Anckarström, dem Vertrauten und späteren Mörder des Königs. Sie ist völlig konträr zur Phantasiewelt Gustavs und erklärt zum Teil, warum sich Renatos Gattin Amelia zu Gustav hingezogen fühlt. Wenn Gustav von den tödlichen Schüssen getroffen wird, steht er wieder auf, als wäre nichts geschehen. Erst im Bühnenhintergrund bricht er zusammen.
Hovenbitzer hebt mit diesem Ende die Grenze zwischen Traum und Realität auf. Die Frage, was Illusion und was irdische Wahrheit ist, bleibt offen. Ist alles nur ein Spiel oder hat Gustav bewusst seinen eigenen Tod inszeniert? Oscars Totentanz - ein faszinierendes und beflügelndes Spiel mit der Phantasie.
(Der Opernfreund)
„Ein Maskenball“ am Stadttheater Bremerhaven
Obwohl seine Oper „Ein Maskenball“ einen realen politischen Hintergrund hatte, lenkte Giuseppe Verdi den Fokus nicht auf den Königsmord, sondern auf die tragische Dreiecksgeschichte zwischen König Gustavo, Amelia und ihrem Mann Renato.
Roman Hovenbitzer inszeniert Verdis Meisterwerk in Bremerhaven als Spiel auf dem schmalen Grad zwischen Traum und Realität und führt Gustavos Pagen Oscar als Spielmacher ein. Oscar leitet den König mit Regieklappe und einem Bühnenbildmodell durch die Szenen, gibt ihm Anweisungen und inszeniert das Ganze zu Gustavos Vergnügen. Amüsiert beobachtet Gustavo die Szene, spielt mit und wird immer tiefer in die Geschichte hineingezogen. Die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit verwischen. Als zusätzliche Ebene führt Hovenbitzer einen Videovorhang ein. Filmeinspielungen verstärken die Szenen, machen Träume sichtbar und wagen einen Blick in die Zukunft des Königs. Gustavo ist ein Lebemann, liebt Vergnügungen und träumt von Amelia, der Frau seines Freundes und Vertrauten Renato. Amelia ist zerrissen zwischen zwei sehr unterschiedlichen Charakteren: dem biederen Beamten Renato und dem phantasiebegabten König. Ausstatter Roy Spahn macht die Gegensätze deutlich und setzt Renato in eine enge, spießige Wohnung mit Ledercouch. Gustavo dagegen ist prächtig gekleidet und wird in einem prunkvollen Boot über die Bühne gefahren. Der Vergleich mit dem Märchenkönig Ludwig II. ist offensichtlich. Hovenbitzer gelingt es, die Spannung bis zum finalen Schuss Renatos auf den König beständig zu steigern. Wenn das Volk am Ende von hohen Metalltürmen herab den Mörder verurteilt, hat sich das inszenierte Spiel von Oscar in bitteren Ernst verwandelt. (...) Am Anfang leicht überladen durch zu viele Paralleleindrücke gewinnt die Inszenierung immer mehr an Intensität. Auch Dank des präzise und sensibel aufspielenden Orchesters unter Marc Niemann und des lebendig agierenden Opernchors eine musikalisch und szenisch gelungene und vom Premierenpublikum bejubelte Produktion.
(„Foyer“/Theater im Nordwesten)
Regisseur Roman Hovenbitzer hat mit seiner Regiearbeit gezeigt, wie intensiv die Vorgaben eines großen Komponisten anders umgesetzt und gedeutet werden können. Zusammen mit Roy Spahn, dem Verantwortlichen für Bühne und Kostüme, gelang es, eine turbulente und durchdachte Bühnenschau abzuliefern. (...) Schließlich ist der dramatische Ablauf des eigentlichen Maskenballes zu loben. (...) Roman Hovenbitzer und sein Team haben es verdient, in den nächsten Vorstellungen ein gefülltes Haus anzutreffen.
Mögen zu den Vorstellungen nicht nur die Opernfreunde kommen, für die nur die leichtere Verdi-Kost infrage kommt, sondern auch diejenigen, für die ein Opernabend eine Denkaufgabe bedeutet.
(Der neue Merker)