Die Großherzogin von Gerolstein verführt in Hagen
Heiliges Kanonenrohr! Die Märsche in dieser Operette wollen ständig aus der Reihe tanzen und zu Cancans werden.
Das Theater Hagen zeigt jetzt Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“ als bissige Satire über Klüngelwirtschaft und Kriegstreiberei. Das Stück ist ausgezeichnet inszeniert. (...)
Regisseur Roman Hovenbitzer hat in Hagen bereits viele herausragende Inszenierungen erarbeitet. In der „Großherzogin von Gerolstein“ übersetzt er Offenbachs gepfefferte Veräppelungen ordenrasselnder Dünkelhaftigkeit in drastische sexuelle Anspielungen. Der „Säbel von Papa“ wird da ebenso zum zweideutigen Objekt wie das Riesenrohr des Kleinpanzers, mit dem General Bumm in die Szene rumst. Während nach außen hin Drill herrscht, wird das Personal in Wahrheit von Hormonen gesteuert. (...)
Die wunderbare Bühne von Herrmann Feuchter hat zwei Ebenen: Oben befindet sich das gefürchtete großherzogliche Schlafzimmer, das auch zur Folterkammer wird. Und unten weitet sich der öffentliche Raum zur Kaserne, in die man die Soldaten in ihren Spinden rollt. Die Verschwörer Bumm, Puck und Prinz Paul graben wie außerirdische Chefärzte die Leichen aus dem großherzoglichen Keller. Hovenbitzer interpretiert die Offenbachsche Gesellschaftskritik geistreich aktuell zwischen Seifenoper und Horrormärchen. Auch listige Anspielungen auf die Aufmärsche unserer Zeit fehlen nicht, denn die Gerolsteiner Fahne ist demonstrativ schwarz-gelb, und die Truppen werden von einem Maskottchen angefeuert. Entzückend ist der Einfall, eine kleine Militärkapelle auf die Bühne zu stellen, die mit Herzblut bläst und trommelt und damit unter anderem den Verschwörern den letzten Nerv raubt. Der Opernchor wird von Hovenbitzer sehr geschickt geführt und kann endlich einmal zeigen, was alles in ihm steckt. (...)
Dagmar Hesse ist eine Großherzogin mit kampflustig eingehängter Handtasche und einem Krokodil für besondere Fälle an der Leine. (...) Und wenn Rainer Zauns Bumm unter Marschklängen dann doch wie an unsichtbaren Fäden gezogen das Bein zum Cancan ausschlagen lässt, hat das genau den scharfen und doppelbödigen Witz, den eine Offenbach-Operette braucht.
(Westdeutsche Allgemeine Zeitung / WAZ)
Wann ist ein Mann ein Mann? Na klar: Wenn er Uniform trägt!
In Roman Hovenbitzers pointierter und scharfzüngiger Inszenierung sieht die Gerolsteiner Armee in ihrer Kaserne doch sehr nach einem Schützenverein in heimischer Übungshalle aus, und eine kleine Militärkapelle, die täglich in einer strengen Zeremonie dem Bild der Landesmutter huldigt, könnte ebenso gut auf irgendeinem Schützenfest (oder Rosenmontagszug) aufmarschieren.
Die Regie nimmt die bis heute ungebrochene Liebe zur Uniform und zu militärischen oder zumindest militärähnlichen Formen aufs Korn. Von da aus scheint der Weg in den echten Krieg nicht allzu weit, jedenfalls wandelt sich die Bühne schnell von der Turnhalle zum Bunker. Die Haubitze, mit der sich General Bumm einfahren lässt, ist unschwer als Phallus-Symbol zu erkennen, wie überhaupt alles Soldatische Ausdruck eines stark sexuell geprägten Männlichkeitswahns ist. So ganz viel hat sich da seit der Uraufführung gar nicht geändert, will die Inszenierung sagen und zeigt damit viel Offenbach'schen Biss. (...) Davon abgesehen ist die Mischung aus amüsantem Unterhaltungstheater und böser Satire sehr gut gelungen, zumal ein ausgesprochen spielfreudiges Ensemble die sehr genaue Personenregie lustvoll umsetzt.
Fazit: Gerolstein lauert überall: Trotz kleiner Abstriche gelingt dem Theater Hagen eine der besten Operettenproduktionen der letzten Zeit, weil Offenbachs satirischer Geist gut in die heutige Zeit übertragen wird.
(OMM Online Musik Magazin)
Diese Aufführung der „Großherzogin von Gerolstein“ hätte Jacques Offenbach sicher gefallen. Sie besitzt saftigen Witz, viel raffinierte Ironie, ihr eignet Vitalität, aber auch Charme. Und Richard van Gemert als höchst ungelenk verliebter Prinz Paul dürfte die größte Lachnummer weit und breit sein. Mit der Mezzopartie der Großherzogin hat sich Dagmar Hesse glücklich ein neues Terrain erobert - so wie jetzt kann’s noch lange weiter gehen. Als Darstellerin sprüht sie, ebenso wie der bassgroßmächtige Rainer Zaun als General Bumm und Andreas Lettowsky als Graf Puck, dem ständig die Perücke vom Kopf fällt. (...)
Die „Großherzogin“ macht sich über das Militär lustig, über seine Rituale und Verstiegenheiten, über den erotischen Überschwang von Damen ebenso wie Herren, über einen frivolen Way of Life. Und wenn es schon Hiebe setzen soll, dürfen Autoren nicht zimperlich sein. (...) Roman Hovenbitzer, schon oft erfolgreich am Theater Hagen tätig, greift mächtig in die Trickkiste des Unterhaltungstheaters. Ständig gibt es etwas zu lachen, aber man amüsiert sich auf intelligente Art und Weise. Ein gelungener Balance-Akt.
Hermann Feuchter (Bühne) und Anna Siegrot (Kostüme) bieten Opulenz ohne Selbstzweck. Der einhellig bejubelte Chor wie auch der Extrachor sowie das Ballett von Ricardo Fernando sind voll im Einsatz und liefern etwa im Kampfgetümmel des 3. Aktes eine wirklich begeisternde Choreografie.
Die Hagener Aufführung macht während ihrer 3 Stunden durchgehend und ausnehmend Spaß.
(Der neue Merker)
Operette Noir
Am Hagener Stadttheater hat Roman Hovenbitzer bewiesen, dass er selbst mit den wirklich schwierig zu inszenierenden Werken Offenbachs auf unterhaltsame Weise fertig wird. In Hermann Feuchters nicht sehr charmantem, aber hier sehr passendem Bühnenbild wird der Aufstieg und Fall des einfachen Soldaten Fritz auf Betreiben der nicht nur kriegslüsternen Großherzogin mit viel Schwung, gut gespielten Dialogen, flotten Choreographien und den wahrlich operettenhaften, wie manchmal auch modernen Kostümen Anna Siegrots in schnellen, knappen drei Stunden durchgespielt, denn die relativ ungestrichene Keck-Edition weist wirklich Unmengen an fantastischer Musik auf, von der man nichts missen möchte. (...) Eine weiter Qualität von Hovenbitzers Regie zeigt sich übrigens in der differenzierten, wie pointierten Chorarbeit, zumal Chor, Extrachor und Ballett in musikalischer und szenischen Pracht zeigten, wie gerade die kleineren Häuser von ihren oft hervorragenden Kollektiven und ihrer Kleindarsteller; leben und profitieren. (...)
Die amüsante Schlusspointe sei hier nicht verraten, mir hat sie sehr gut gefallen.
Ein prächtiger Abend mit Offenbach und dem Stadttheater Hagen: Großer, einhelliger Premierenjubel.
(Der Opernfreund)
Geistreiche Satire mit Biss
Jacques Offenbachs köstlich-bissige Satire auf Kleinstaaterei, Vetternwirtschaft und Militarismus hatte am vergangenen Samstag eine durchaus gelungene Premiere am Hagener Theater. (...) Roman Hovenbitzers aktionsreiche Inszenierung ist gespickt mit vielen gelungenen Einfällen, (...) geriet schwungvoll und präzise. (...) Große Zustimmung seitens des Publikums.
(IOCO, Kultur im Netz)