Die Festtafel ist abgefrühstückt, die Gäste sind gegangen, und der Komponist schlendert noch einmal zum Klavier. Aus dem Off klingt das Grammophon vergangener Zeiten: "Wo ist das Lied der Liebe? Es ist schon längst verklungen, es war ein Märchen." Prolog und zugleich Epilog in Roman Hovenbitzers Inszenierung von Franz Lehárs letzter Operette Giuditta, die am Sonnabend im Theater Flensburg eine reich beklatschte Premiere feierte. Ein Abgesang nicht nur auf die Unmöglichkeit romantischer Liebe, auch auf die Operette selbst, so inszeniert Hovenbitzer schlüssig und mit illustrem Zeitkolorit. In der Tiefe der Bühne sitzt uns ein gespiegeltes Publikum gegenüber, in dessen Mitte die neue Figur des Komponisten sein Theater im Theater wehmütig verfolgt. Im Nachtclub säuft der johlende Nazi-Pöbel, bis fallende Bomben dem Bacchanal ein unsanftes Ende bereiten. Vor diesem Tanz auf dem Vulkan entführen uns Roy Spahns Bühnenbilder, die alle Register der Opulenz ziehen, noch einmal in die blühende Märchenwelt der Operette. (...) Ein Lustfaktor, der nicht nur Bravos und Szenenapplaus erzeugt, sondern auch den Kontrast zum Endzeitszenario im vierten und fünften Bild unterstreicht. In den letzten Akten wird aus der buffonesken Operette eine Opera seria, wandelt Hovenbitzer das Märchen vergangener Epochen in eine zeitgenössische Tragödie.
(Kieler Nachrichten)
Regisseur Roman Hovenbitzer hat das Lehársche Rührstück aus der Versenkung geholt und am Schleswig-Holsteinischen Landestheater zum Premierenerfolg geführt.
(Flensburger Tageblatt)
"Giuditta" wurde ideenreich inszeniert
Das Fest ist zu Ende, der letzte Gast schaut sich selbstvergessen um, setzt sich ans Klavier, schlägt einige Töne an, geht dann in den verdunkelten hinteren Bühnenraum. Ein roter Samtvorhang öffnet sich, samtrote Parkettreihen und ein reichgeschmücktes goldenes Portal werden sichtbar - dem Publikum im Theater sitzt ein Publikum auf der Bühne vis-à-vis gegenüber. Der Herr nimmt in der ersten Reihe Platz, das Theater im Theater kann beginnen. Zu dieser stummen Szene dreht sich eine Schellackplatte, Richard Tauber singt "Schönste der Frau’n" aus „Giuditta". Der Herr ist zweifelsohne Franz Lehár, dessen letztes Werk und "liebstes Kind" vor 75 Jahren in der Wiener Staatsoper uraufgeführt wurde. Nach drei Stunden bunt gemischten Operettentreibens steht er wieder allein auf der Bühne - seine Zeit ist vorbei und auch die Zeit der "silbernen Operette", deren Schlusspunkt "Giuditta" markiert. Roman Hovenbitzer erdachte diese überzeugende Regieklammer, die die Herz-Schmerz-Geschichte um die leidenschaftliche Giuditta und ihren pflichtbewussten Offizier Octavio sehr aufwertete. Alle mit Zeitkritik unterlegten Szenen gerieten besonders "dicht", so auch das vierte Bild, verlegt aus dem berüchtigten "Alcazar" in ein Etablissement der Nazi-Schickeria, wo die schöne Giuditta der Star ist, wo sie ihre "Schlager" singt und mit dem Meistbietenden soupieren geht. Diese Szenen waren alle in sich stimmig und wurden von einem großartigen Sängerensemble mit vielen guten Einzelleistungen über das Operettenhafte hinausgehoben. (...) Für die ideenreiche "Giuditta"-Inszenierung und ihre hohe musikalische Qualität bedankte sich das ausverkaufte Haus mit starkem Beifall.
(Schleswig-Holsteinische Landeszeitung)