Selbst über den Tod hinaus in den Fängen des Monsters
Klug, konsequent und spannend: Roman Hovenbitzer inszeniert am Theater Pforzheim Puccinis "TOSCA"
Roman Hovenbitzer betrachtet am Theater Pforzheim Puccinis Oper wie unter dem Mikroskop. Das Ergebnis ist frappierend: Klug und konsequent. Satz für Satz klopft er den Text von Giocosa und Illica ab und stößt auf erhellende Details, die Puccinis Thriller mit stupenden Einsichten anheizen und ihn samt einer überraschenden Wendung in einem monumentalen Todeshymnus enden lassen. Im Gefangenenanzug stürmt der aus dem Gefängnis entflohene Angelotti herein. Die Fluchtkleidung, die er in der im Orchestergraben versenkten Familienkapelle findet, sind, wie es der Text vorgibt, Frauenkleider, die er sich überstreift und dann mithilfe seines Freundes Cavaradossi die Kirche verlässt. Der Maler ist ein Revolutionär und Freidenker, der hinter der Tür noch mit einem Mädchen turtelt und dadurch Toscas ständige Eifersucht verständlich erscheinen lässt. Kaum eine der Figuren tritt so auf, wie wir sie kennen. Der Mesner, ein Spitzel des von Scarpia installierten Schreckenssystems, notiert fleißig alle Ausfälle des kritischen Malers. Wie Spoletta, der sich die Clownsnase aufsetzt und das intrigante Folterspiel zu einer fiesen Commedia dell´Arte verwandelt, ist auch er ein Mitläufer und perverser Clown, der den Chorknaben anzüglich über die Haare streicht. Nur Tosca bleibt der Inbegriff der ihrer Kunst lebenden Sängerin. Mit dunkler Brille und Klavierauszug ist sie ganz schmollendes Mädchen und kokettierender Star, liebende Frau und entschlossene Heldin. Doch von Anfang an bleibt sie in den Fängen des Monsters Scarpia kleben, den Hovenbitzer zum lüsternen satanhaften Wesen macht: Ein gefallener Engel, der seine Schwingen zum Todesstoß ausbreitet. Wie das System Scarpia seine Figuren im Banne hält, gleich den Schachfiguren auf seinem Spielbrett, hat bereits der Theatermechaniker Sardou durch den finalen Clou vorgegeben. Da hilft Tosca auch kein Scheckheft, um sich und den Geliebten zu befreien, letztlich keine sexuelle Hingabe - und auch nicht die Ermordung des Monsters. Hovenbitzer spitzt dies noch zu: Auf der Plattform der Engelsburg, wo Cavaradossi seiner Hinrichtung entgegensieht, wird er begleitet von weißgesichtigen Totenträgern in Scarpias Gestalt. Scarpia selbst übernimmt den Part des Schließers, der seinem Opfer den letzten Liebesbrief ermöglicht, während er sich den Ring des Malers, Toscas Liebespfand, ansteckt, und gleich dem Fährmann Charon setzt er die Liebenden "übers Meer", wie es der Text so eindringlich beschwört. Im letzten Akt erhebt sich das Stück in eine Zwischensphäre von bezwingender Schönheit, deren surreale Traumzüge nochmals die große Wandcollage aus der Kirche und dem Palazzo aufnehmen, wo Cavaradossi ein Pandämonium von Dalí´scher Fantastik schuf. (...) Insgesamt also eine hochspannende Inszenierung, die keine Nebenrollen kennt.
(Badische Neueste Nachrichten)
Der Kampf der Freiheit gegen Diktatur ist zeitlos
Es ist eine stimmige, dem Werk angemessene Inszenierung von Giacomo Puccinis Oper TOSCA, die Roman Hovenbitzer am Theater Pforzheim auf die Bühne bringt - und eine ihrem heutigen Gehalt gemäße. Denn sowohl der Traum von der Liebe und deren Erfüllung als auch der persönliche und politische Kampf, die in dieser Oper ausgefochten werden, sind zeitlos gültig. Ein politisches System aus Diktatur, Terror und Willkür, persönliches Machtstreben unter Verwendung aller Mittel und schrankenlose sexuelle Gier stehen dem Leben für freiheitliche Ideale und der Kunst diametral gegenüber, merkt der Gastregisseur in seiner Inszenierung an. Damit trifft er den Kern der Handlung und liefert den Schlüssel zum Verständnis seiner Interpretation. Transparente Wände, ein Zwischenvorhang mit einer der Thematik entsprechenden Apokalypsencollage, sachlich moderne Möbel und ein nüchterner, mit Schergen bevölkerter (Theater-) Raum als Plattform auf der Engelsburg: Das ist das jeweils passende Milieu für die zwischen Traum und Wirklichkeit angesiedelte Inszenierung.
(Stuttgarter Nachrichten)
Wenn die Macht das Böse gebärt
Langer Beifall für die Premiere TOSCA am Stadttheater Pforzheim - Regie unterstreicht Zeitlosigkeit des Sadismus
Hovenbitzer entkleidet den Opernstoff weitgehend von seinen historischen Dimensionen und demonstriert damit auch, dass eiskalt kalkulierender Sadismus eine gänzlich zeitlose Erscheinungsform menschlicher Persönlichkeitsverbiegung ist. So verordnet die Regie dem Polizeichef Scarpia eine fast statuarische Körpersprache und eine durchgängig maskenhaft unbewegliche Mimik. Das Böse bekommt kein Gesicht, keine irgendwie geartete Individualität zugesprochen, sondern manifestiert sich im unpersönlichen System der Macht selbst. (...) Begeisterung zu entfachen vermag ebenso das von Thomas Pekny gestaltete Bühnenbild, das dieser gelungenen Operninszenierung eine zusätzliche visuelle Anziehungskraft verleiht. Sehr langer Beifall.
(Pforzheimer Zeitung)
Die Opernwelt möge nach Pforzheim schauen: Hier strahlt eine unvergleichliche Aufführung der TOSCA weit über die Region hinaus.
(Vaihinger Kreiszeitung)
Inszenierung geht unter die Haut
Die Pforzheimer Aufführung ist von einer einprägsamen Dramatik und inneren Dynamik. Die Geschichte von Liebe, Gewalt und Tod zwischen Tosca, Scarpia und Cavaradossi wird vom Regisseur in die sehr aktuellen Bezüge unserer Zeit eingefügt, ohne dabei etwa an Farbigkeit und Spannung im Sinne der Musik zu verlieren. Ein ganz besonders eigenartiges und einprägsames Gesicht gab der Regisseur dem dritten Akt, er verlässt sozusagen die reale Welt der Engelsburg und des Erschießungskommandos und lässt den schon toten Scarpia als Fährmann ins Totenreich agieren. Alles ist schon zum unausweichlichen Tod bestimmt, Tosca springt nicht von den Mauern, sondern ersticht sich mit demselben Messer, mit dem sie Scarpia getötet hat. (...) Diese Inszenierung der „TOSCA“ ist eine eigenwillige Umsetzung auf die Ebene unserer heutigen Welt – und geht direkt unter die Haut.
(Mühlacker Tagblatt)