Regisseur Roman Hovenbitzer findet ohne Gewaltsamkeit heutige Entsprechungen zu den optischen Vorgaben des Librettos. In einer Disco funkt es zwischen dem Mädchen und dem armen Fotografen Des Grieux. Doch Manon kommt nicht gegen ihren Traum vom Luxusleben an, Des Grieux nicht gegen sein moralisierendes Empfinden. Dass beide letztlich nicht zusammenfinden, demonstriert Hovenbitzer in immer neuen szenischen Anläufen und Ausformungen. Der vierte Akt zeigt die beiden weitgehend getrennt: Des Grieux blättert in alten Photos, Manon schmückt sich - ein Frieren machender Moment - mit einem übrig gebliebenen Krönchen. Wenn er mit einer Pistole in der Dunkelheit verschwindet, knickt hinter ihm der Bühnenboden ab. Die große Deportationsszene verschärft Hovenbitzer auf beklemmende Weise. Unter den Huren befinden sich auch ein kleines Mädchen und ein fetter Mann - Existenzen, die man nur mit Mitleid betrachten kann. Wie sich die Soldaten busengrapschend und vergewaltigend ihr Vergnügen holen, gehört zu den Schonungslosigkeiten, mit denen der Regisseur das Milieu des "galanten" Zeitalters unterläuft.
(Opernwelt)
AUF DER STRASSE DES TODES
Wir begeben uns auf eine Straße ohne Rückkehr, auf eine Straße des Todes. Der junge Regisseur Roman Hovenbitzer zeigt im Essener Aalto-Theater Giacomo Puccinis "Manon Lescaut" als ein zeitloses Stück, das verzweifelte Liebe in einer kalten Welt spiegelt. Das ist kompromisslos, aber keineswegs provozierend. (...) Schon nach einer halben Stunde ist Pause. Und das gibt Sinn: Denn in den folgenden drei Akten zeigt der Regisseur den Untergang Manons als eine konsequente, brutale Entwicklung. Das Riesenbett der Luxuswelt dreht sich und wird zum Container-Gefängnis. So einfach kann man den Niedergang zeigen. Verzweiflung wird spürbar, Kälte sichtbar. Roman Hovenbitzer, der bereits in Dortmund bei "Andrea Chénier" zeigte, wie man Opernthriller verdichten kann, trifft den thematischen Kern. (...) Als dann am Ende das Licht auf der Bühne erlosch, war es für eine Sekunde still im Aalto-Theater. Da spürte man, wie nah uns Puccini heute kommen kann.
(WAZ)
LUXUSWEIB LANDET IN DER GOSSE
Der Regisseur verlegt die Handlung konsequent und schlüssig in die Neuzeit: Des Grieux und sein Kommilitone Edmondo sind coole Typen, die ihre Abende in einer hippen Szene-Bar verbringen. Schon der erste Akt lebt sehr von den gelungenen Kostümen Henrike Brombers, die sich beim illustren, bunt schillernden Kneipen-Publikum austoben kann. Ihr Glanzstück aber ist die Luxuswelt des zweiten Aktes, in dem sie das französische Rokoko des Originals zu einem obszön dekadenten Modestil verarbeitet. Der alte Geronte tritt in seinem Palast im Stile eines Sonnenkönigs auf und erinnert mit seiner kuriosen Mischung aus Rokoko-Frisur, Sonnenbrille und Cowboystiefeln an heutige Modezaren. Hovenbitzer liefert eine schlüssige Interpretation, die sich nicht in nebulösen Vieldeutigkeiten verliert und auf ehrliche Art den Kern des Stoffes aus heutiger Perspektive zu beleuchten versucht. Zweifellos ergibt sich dadurch manchmal ein Widerspruch zur Musik, aber diese Spannung ist ohnehin schon zwischen der Partitur und Teilen des Librettos vorhanden und in Essen szenisch vorteilhaft nutzbar gemacht. Das Ensemble meistert diese Gratwanderung durchweg überzeugend.
(Ruhrnachrichten)
ZWISCHEN LIEBE UND LUXUS
Als Lehrstück über die leichte Verführbarkeit der Jugend mit fatalen Folgen deutet Roman Hovenbitzer die gleichnamige Oper von Puccini im Aalto-Musiktheater Essen. (...) Hovenbitzer und die Protagonisten verstehen es, Spannung und Intensität zu steigern. Besonders im letzten Akt entfachen sie ein packendes Melodram, das auf einem Highway der ewigen Suche endet - mit dem Tod des Mädchens.
(Westfälische Rundschau)
BOULEVARD DER EINSAMKEIT
Vier Episoden, vier Stationen eines Verhängnisses - wie soll man das inszenieren? Schmucklos, aber eindringlich - das hat sowohl Hovenbitzer als auch seinem Bühnenbildner Dieter Richter manchen Buh-Ruf eingebracht. (...) So gesehen ein durchaus gelungener Puccini-Abend.
(Neue Ruhr-Zeitung/NRZ)
VON DER MACHT DES SCHICKSALS
In drastisch intensiven Bildern schildert die Essener Inszenierung Höhen und Tiefen einer verhängnisvollen Leidenschaft. (...) Mit brutaler Deutlichkeit wird dem Zuschauer die Unterdrückung und Erniedrigung, der Manon auf dem Weg in die Verbannung ausgesetzt ist, vor Augen geführt. Von der Gesellschaft ausgestoßen, wird die verwöhnte Maitresse zum Freiwild, das Vergewaltigung und öffentlicher Verachtung schutzlos ausgeliefert ist.
(OMM-Online Musik Magazin)
AUS DER BAHN GEWORFEN
Regisseur Roman Hovenbitzer gelingen bis hin zur Schlussszene ungemein bewegende Bilder übergroßer Trauer. Die bezwingenden Stärken der Inszenierung liegen in den zwischenmenschlichen Extremsituationen, die großen Ensembleszenen verweisen auf künftige Möglichkeiten des Regisseurs. (...) Das Essener Premieren-Publikum ist am Ende tatsächlich emotional betroffen.
(Opernnetz)