„Blühende Schönheit, die nach Blut stinkt“
Man kann die brutalen Diktatoren umbringen, es ändert nichts. Tosca ersticht den römischen Polizeichef, aber in der Annaberger Inszenierung der rauschhaften Puccini-Oper ist konsequente Logik: Der Höllenhund bestreitet das Finale selbst, ist auferstanden, er verkörpert die Gewalt, er bleibt. Die Toten sind immer die anderen, Tosca bringt sich um, ihr Geliebter Cavaradossi wird nicht nur, wie ausgemacht, zum Schein erschossen, der geflohene Revolutionär Angelotti entgeht dem Galgen durch Selbstmord. Über Roman Hovenbitzers eindringlicher Inszenierung der TOSCA müsste eigentlich SCARPIA drüberstehen. Der ist zentrale Bezugsfigur, alle anderen sind in seiner Gewalt, er hat die Macht, er bestimmt das Spiel, er bleibt. Jens-Eric Schulze führt ihn freilich als grenzenlosen Bösewicht vor, aber nicht reduziert auf private blutrünstige Gelüste nach Folter und Qual, auf sexuelle Gier. Nein, das sind alles Voraussetzungen und Folgen von Machtbesessenheit der kleinen und großen Diktatoren. Solche Dimension des Unermesslichen der Geschichte muss man nicht einmal dieser Oper überstülpen. Scarpia ist ihr individuelles System-Bild. Die Sängerin Tosca, der Maler Cavaradossi haben nichts als die lautere Ohnmacht der Kunst entgegenzusetzen. SCARPIA also, nicht TOSCA. Die Musik und die Szene hetzen die Geschichte von einer Grausamkeit zur anderen. Wo lyrisches Gefühl sich regt, drängt das Scarpia-System längst zur nächsten Brutalität. Die scheinbare Schönheit der Musik lügt, beschwichtigt nur, bevor der Henker zuschlägt. Wenn ins letzte Liebesduett die römischen Kirchenglocken so schön hereinklingen, sind es bereits die Todesglocken, die erbarmungslos die Hinrichtung Cavaradossis einläuten. Der die Klarinettenkantilene blasende Engel entpuppt sich als Todesbote, die Freiheit ist nur eine flüchtige Illusion. (...) Ähnlich dem großen Guernica-Gemälde Picassos beschwört als Spiel- und Zwischenvorhang eine überdimensionale Vision von Mord, Krieg, Bombenterror und Höllenfahrt blutige Gegenwart. Diese Zeichen des Todes kehren auf den Gewändern der Folterer wieder, besonders auf dem Scarpias. Auf ihm und in ihm kehrt alles wieder, der Diktator bleibt.
(Freie Presse Chemnitz)
Unzählige Bravorufe und nicht enden wollender Schlussbeifall belohnten zur Premiere das Regieteam und das Sängerensemble für diesen eindrucksvollen Theaterabend.
(Erzgebirgsrundschau)