1989. Die ganze Welt ist Warenhaus. Der Sozialismus ist tot. So kennt man Smetanas Oper nicht. In Dortmund entdeckt man sie ohne Folkorismus als Singspiel über Käuflichkeit. Der rotzfreche Regisseur Roman Hovenbitzer nimmt die scheinbar naive Komödie aus der Vergangenheit heraus. Er zeigt bitterböse, wie aus einer dörflichen Kneipe ein Warenhaus westlicher Prägung wird, wie Provinzler des Ostens die Banane und Waren aller Art entdecken – schließlich regnet es Geld vom Himmel. Der „Verkauf“ des Mädchens Marie, das vertraglich einem fremden Mann zugesprochen wurde und dann natürlich den Richtigen nimmt, steht hier für die Macht des Geldes. Das geht – dem Unmut des Publikums zum Trotz – sinnfällig auf, zumal Hovenbitzer auf zwei Ebenen spielen lässt: Über dem Warenhaus befindet sich eine Traumwelt in den Wolken. Dorthin flüchtet der stotternde Wenzel vor der Übermacht der Eltern. Dort pustet er Seifenblasen. Dort trifft er Marie, die sich verstellt – und dann doch erkennt, dass Wenzel der bessere Mensch ist.
(Westdeutsche Allgemeine Zeitung/WAZ)
Das Publikum zeigte sich schockiert, als sich im Theater Dortmund der Vorhang zur Premiere von Smetanas „DIE VERKAUFTE BRAUT“ hob, denn Regisseur Roman Hovenbitzer hat die Tschechische Nationaloper in die Zeit nach dem Kommunismus verlegt und die rosarot gestaltete Bühne mit konsumbesessenen Kleinbürgern bevölkert, die meinen, für Geld alles haben zu können. Vielleicht war die Inszenierung zu dicht an der Realität, vielleicht war es aber auch die enttäuschte Erwartungshaltung eines auf folkloristische Romantik eingestellten Publikums, die diese Reaktion hervorgerufen hat. Originell und konsequent ist diese Produktion allemal, und die Reibung zwischen dem Bühnengeschehen und der von Alexander Rumpf gefühlsbetont und kontrastreich umgesetzten Partitur brachte jenen Funken zum Zünden, der lebendiges Theater auszeichnet.
(Das Opernglas)
Der junge Regisseur Roman Hovenbitzer hatte sich spürbar intensiv mit dem Werk auseinandergesetzt und eine überzeugende Aktualisierung gefunden. Smetana zeigt in seiner Oper eine dörfliche Gesellschaft im Umbruch, in der die jüngere Generation sich nicht mehr widerstandslos der alten Rechtsordnung aus Verträgen und Abmachungen fügt und gegen ein soziales Gefüge aufbegehrt, dessen Grundlage nur Geschäfte, nicht aber wahrhafte Gefühle sind. Ähnliche Tendenzen lassen sich in den postsozialistischen Gesellschaften unserer Tage beobachten, in denen private Schicksale aus dem Blick geraten angesichts der – szenisch sehr aufwendig umgesetzten – kopflosen Hinwendung zu den vermeintlichen Segnungen einer hier im schreienden Pink daherkommenden Konsumwelt. Auch der Schluss geht auf: Marie verzeiht Hans seinen vielleicht gut gemeinten, aber eben doch sehr herzlosen Brautverkauf nicht, sondern wendet sich schließlich doch dem Stiefbruder Wenzel zu, der sich wie sie den Spielregeln dieser rein profitorientierten Gesellschaft nicht fügen will, sondern seine eigene Traumwelt in berührender Naivität dagegen setzt.
(Orpheus–Oper International)